Die Obdachlosen

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Am Rande der Heidelberger Hauptstraße sitzen sie. Schweigend. Wartend. Sie übernachten am Hauptbahnhof unter der Brücke, in den Grünanlagen. Oft versammelt sich gen Nachmittag im Park gegenüber vom Kaufland Supermarkt eine mal kleinere, mal größere Runde, Dosenbier in der Hand schwenkend, und diskutierend. Einkaufswägen und verknitterte Plastiktüten beherbergen Habseligkeiten. Sie markieren die Schlafstätten an einer anonymen Örtlichkeit, die doch eine Stätte ist, die einen Menschen beherbergt und sagt: Hier lebt einer. Manchmal ist es sogar eine ganze Matratze.

Paule erzählt, nach einer der kältesten Nächte im Winter 2009/10, dass das Übernachten im Freien schon in Ordnung gehe. Sein Besitz umfasse eine dicke Winterjacke und auch zwei warme Decken. Auch weiß er einen windgeschützten Ort, der ganz ihm gehöre. Er freut sich, dass man mit ihm spricht. Verschlossen bleibt er wie spitz gefrorenes Eis. Ein altes Rentnerpaar mischt sich ein, schreit seine Meinung über die Straße, zieht dann weiter.
Ein anderer ist Künstler. Mit seinem Hund teilt er seine Träume von einer Wohnung in der Stadt. Zwei Jahre später sitzt er weiterhin auf dem grauen Pflasterboden, der verklebt ist mit alten Kaugummis. Er versucht, den nächsten Tag zu überleben. Seine Pupillen sind klein wie Stecknadelköpfe. Er wirkt apathisch.
Einer freut sich über ein belegtes Brötchen, was ihm geschenkt wird. Er hat keine Zeit, Danke zu sagen, so schnell verschlingt er es. Die Zwiebeln quillen in der Eile über und fallen auf den Boden. Er sammelt sie hastig auf. Er hat wirklich Hunger. Einer sitzt still in der Ecke, neben dem Mülleimer, Tränen rinnen über sein Gesicht. Andere sitzen zusammen, lachen, freuen sich über einen schönen Tag.
Timmy sitzt bevorzugt am Eingang der Sparkasse, mit seinen großen Kopfhörern ist er tief in die Musik versunken. Oft spielt er sie laut über einen Ghettoblaster, die Umwelt mit den Rhythmen alter Pop&Rock-Lieder beglückend. Im Rucksack bunkert er Flaschen, die stetig aneinander klirren und aus denen er schon am frühen Morgen ein belebendes Schlückchen nippt. Manchmal schlägt seine Stimmung plötzlich um, er wird wütend und böse, brabbelt fahrig vor sich hin.
Uwe erzählt, dass er einmal als Fotograf gearbeitet hat, sogar ein eigenes Studio besaß. Er kennt sich mit Kameras aus und gerät ins Schwärmen über alle möglichen Einstellungen und welche Effekte man damit erzielt. Manchmal versteht man ihn kaum, so aufgeregt wird er, und so undeutlich erzählt er.

Seeheim-Jugenheim 2010


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Zu den beiden letzten Projektthemen gehören die Themen "Tattoo" und "Demenz".