Zu meinen Arbeiten

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Die Bedeutung eines Porträts liegt für mich in der emotional-expressiven Kraft eines jeden Gesichtes begründet.

Porträts besitzen daher in meinen Augen endloses Potential wegen einer zunächst simplen Banalität: Der Mensch ist ein spannendes Geschöpf. Er ist merkwürdig, eigenartig, ergreifend. Dies ist der Kern meiner andauernden Faszination für Gesichter und Charaktere. Der Mensch ist sich selbst. Das genügt.

Ich male Gesichter von Menschen, die man gemeinhin nicht berühmt nennen würde. Sie sind weder in einem Lexikon aufzustöbern noch im Internet zu ergooglen. Es sind "einfache" Menschen, oft aus der Familie, Freunde, von der Straße. Ihre Eigenheiten und Lebensgeschichten sind für mich greif- und erlebbar.
Hier hege ich eine besondere Leidenschaft für die sogenannten gesellschaftlichen "Randbereiche": Obdachlose, Altenheim-bewohner, Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung, Harley-Davidson-Fahrer, Subkulturen. Für mich bedingt diese Vielfalt sozialer Identitäten erst Gesellschaft. Das "Anderssein" ist ein Focus meiner Neugierde.
Der Einzelne ist jedoch für mich nicht nur Individuum, sondern auch Teil seiner sozialen Umwelt. Infolgedessen ist jedes Porträt in meinen Augen auch ein Spiel mit der Rolle: Für was halten wir den Menschen? Für was hält er sich? Die bloße Physiognomie ist demnach auch ein Stück Fassade, die es zu entblättern, ein Stück weit zu enthüllen gilt.

Es sind Gesichter, die man manchmal auch alt, hässlich oder gar abstoßend nennen mag. Für mich hingegen besitzt jeder Mensch seine eigene Schönheit, die es zu entdecken und der es nachzuspüren gilt. Deswegen gilt für mich der unverrückbare Anspruch einer unbedingten Ehrlichkeit. Der Pinsel zeichnet als Seismograph jede Sommersprosse, jede Falte, jede physiognomische Eigenheit auf. Einfach zusammengefasst: Eine große Nase muss eine große Nase bleiben. Diese Details sind es, was es bedeutet, Mensch zu sein und nicht Schema. Sie verleihen einem Gesicht Lebendigkeit - über die bloße Existenz eines Wesens hinaus.

Die Präsenz eines Menschen einzufangen - seine Persönlichkeit, sein Temperament, sein Empfinden, seinen verwunderten, entschlossenen, ängstlichen, getrübten oder freien Blick auf das Leben - ist mir in meiner Wahrnehmung besonders wichtig. Es macht den Menschen "erfahrbar".
Der Respekt vor dem Menschen und die Unantastbarkeit seiner Würde stehen dabei für mich unverrückbar im Zentrum meiner Arbeit. Beispielsweise kann man einen Demenzkranken erschrocken, erschaudernd und verloren darstellen, aber niemals bloßstellend.

Mein Ziel ist es, das Menschliche im Menschen zu erforschen. Deswegen liegt für mich das narrative Element des Malens im Banalen und Alltäglichen begründet, nicht im Übertriebenen und Augenscheinlichen, Pathetischen und Heroischen. Im Zentrum meiner Porträts steht daher der Mensch mit all seinen verschrobenen Eigenheiten und "Schrulligkeiten". Für solche Charaktere hege ich eine besondere Vorliebe. Konkret äußert sich dies z.B. in einer Leidenschaft für Schokolade und saure Gurken. Die Umwelt eines Menschen, ferner dazu arrangierte Gegenstände, sind für mich damit integrativer und natürlicher Bestandteil eines Bildes. Mimik, Gestik und Haltung eines Menschen, die Anordnung der einzelnen Elemente auf der Bildfläche und die Schilderung jeweiliger Details sind Ausdruck dieser Beziehung. Besonders gerne kombiniere ich dabei Skurriles: futuristische Stadtlandschaften und Chamäleons, Paradiesvogelblumen und Pumps, Zahnprothesen und Torten.

Angeregt durch Orte, spontane Gespräche und Ereignisse spielt das Situative für mich eine entscheidende Rolle. Aus diesen Bestandteilen eines visuellen Denkens ergibt sich eine dramaturgische Inszenierung durch eine visuelle Erzählsprache, bei der man in den Gesichtern und darüber hinaus im gesamten Bild "lesen" kann. Nur wenn ein Bild merkwürdig ist, können sich die Gedanken in verschiedene Richtungen entfalten.
Ich muss eine Beziehung zu dem haben, was gemalt wird. Nur dann "funktioniert" ein Bild für mich - wenn ich es nachempfinden und damit ausdrücken kann: also etwas zu sagen habe.

Ich möchte bezeugen: So war es gewesen. So habe ich es erlebt. Oder auch: So könnte es gewesen sein. So stelle ich es mir vor. Meine Bilder haben so nie stattgefunden. Sie dokumentieren eine Möglichkeit. Ein starkes Element meiner Arbeit ist demgemäß die Lust am Erfinden, der Erdichtung, der Fiktion, dem Spielen mit Erinnerung und Gegenwart, mit Wirklichkeit und Träumen.
Was meine Augen gesehen haben möchte ich verweben mit den Empfindungen, wie ich es erlebt habe. Deswegen bewegt sich mein Arbeiten stets im Spannungsfeld zwischen dem urban-(sozial)dokumentarischen und dem artistischen, narrativen und figurativen.

Seeheim-Jugenheim 2010


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